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Ortsgeschichte

Die Ortsgeschichte

Die Ortsgemeinde Gemünden wurde 879 durch die Gründungsurkunde des Kollegiatstifts zu Gemünden erstmals urkundlich erwähnt. Der Ort erhält seinen Namen, weil er von den drei Bächen Elbbach, Schafbach und Holzbach umgeben ist, die südlich von Gemünden ineinander münden.

Gemünden liegt ungefähr zwanzig Kilometer nordöstlich von Limburg an der Lahn am Südhang des Westerwaldes. Vom 435 m hohen Ziehenberg oberhalb des Ortes überblickt man einen Großteil des Elbbachtales, das weiter südlich in das Limburger Becken mündet.

Am 9. November 879 weihte Erzbischof Bertolf von Trier in Anwesenheit von König Ludwig I. und des Stifters Gebhard vom Lahngau die erste Stiftskirche zu Ehren des Salvators, seiner heiligsten Mutter, der Jungfrau Maria, dem heilgen Kreuz, St. Severus und allen Heiligen. Die Kenntnis über den Weiheakt entstammte einer Urkunde, deren Inhalt nur als Insert einer weiteren Urkunde vom 22. Juni 1333 überliefert ist. Dabei ist die Wahl des Ortes für die Neugründung des Stifts von erheblicher Bedeutung, denn Gemünden liegt an einer Stelle, an der sich zwei Fernstraßen kreuzen. Die eine führt von Mainz nach Siegen, die andere von Westerburg gegen Osten. Auf Grund der Flurnamen in der Gemarkung wird vermutet, dass es vor der Gründung des Stiftes ein Dorf südlich des heutigen Ortes Gemünden gegeben haben muss, das man nach und nach aufgab und schließlich ganz zum Stift hin verlegte.

Gebhard ist der erste in den Urkunden fassbare Vertreter des Adelsgeschlechtes der Konradiner, jener Grafenfamilie, die als Gaugrafen des Lahngaues seit karolingischer Zeit sowohl im Mittelrheingebiet, als auch auf das ganze Reich bezogen, eine herausragende Position einnahm. Gebhard war nicht nur Stifter und Gründer der ersten Stiftskirche in Gemünden, sondern gleichzeitig seit der Weihe 879 auch Mitglied der hier angesiedelten Klerikergemeinschaft.

Bis 1221 liegen keine Urkunden mehr vor, die Auskunft über die weiteren Rechts- und Besitzverhältnisse geben können, doch bleibt die Vermutung, dass Gemünden bis zum Aussterben der Konradiner in deren Besitz blieb. In diese Zeit fällt offensichtlich auch die Erweiterung des Stiftsbesitzes durch den Enkel von Gebhard, Bischof Rudolf von Würzburg (892 – 908), die bis nach Battenfeld an der Eder, Biskirchen bei Weilburg und Lahr reicht. In die zweite Hälfte des 10. Jahnhunderts fallen noch weitere Besitzerweiterungen durch die Konradiner, wie z.B. in Gebhardshain. Dabei fällt auf, dass die Besitzerweiterungen allesamt in nördliche Richtung, in den Hohen Westerwald erfolgen. Die im hohen Mittelalter noch angewachsene Zahl der Güter verlieh dem Stift in Gemünden, in Verbindung mit der hinzugekommenen Reichsunmittelbarkeit, rechtlich eine starke und selbständige Position, die in dieser Form mit Sicherheit bis Ende des 12. Jahrhunderts erhalten blieb.

Mit dem Anwachsen der Macht der Stiftsvögte seit dem Ende des 12. Jahrhunderts und dem zunehmenden Verfall kaiserlichen Einflusses im Verlauf des 13. Jahrhunderts begann der Niedergang des Gemündener Stifts. In Nachfolge der Konradiner waren in der Zeit um 1190 die Herren von Runkel über die Grafen von Gleiberg und die Grafen von Leiningen durch Heirat in den Besitz der Vogtei Gemünden gekommen. Als Sitz der Stiftsvögte wurde noch im 12 Jahrhundert die 1209 zum ersten Mal erwähnte Westerburg erbaut. Eine der ältesten Urkunden aus dieser Zeit nennt 1221 Siegfried von Runkel als Vogt des Stiftes in Gemünden. Nach dessen Tod führt ein langwieriger Rechtsstreit nicht nur zur Teilung des runkelschen Herrschaftsgebietes in die Herrschaft Runkel und eine eigene Herrschaft Westerburg, sondern in der Folge auch immer wieder zu Streitigkeiten zwischen beiden Linien, in denen es vorrangig um die Vogteirechte über das Stift Gemünden ging. In der Folgezeit wurde von beiden Parteien versucht, über das Amt des Stiftpropstes, der auch im 13. Jahrhundert noch eine eigenständige Position innerhalb des Stiftes und gegenüber den Vögten besaß, zu mehr Einfluss zu gelangen.

Die ursprünglich vorhandene territoriale, wirtschaftliche und rechtliche Unabhängigkeit des Stiftes geht mehr und mehr verloren und endet mit der Aufgabe eines letzten Restes kaiserlichen Rechtes im Jahre 1336, als Kaiser Ludwig der Bayer Reinhard von Westerburg zubilligt, von nun an die Propstei in Gemünden mit einem Mann seiner Wahl zu besetzen. Damit ist die unumschränkte Machtposition der Herren von Westerburg endgültig besiegelt. Die Grablege der Westerburger Herren im Stift Gemünden im Bereich der beiden Querhausflügel und vor dem Hauptaltar setzt mit Beginn des 14. Jahrhunderts ein. Taten bei Gründung des Stifts noch zwölf Kanoniker dort Dienst, waren es jetzt nur noch vier. Am Ende dieser Entwicklung ist das Stift so verarmt, dass aus dem Vermögen kaum noch der Lebensunterhalt der Kanoniker, geschweige denn die Instandhaltungskosten für den Kirchenbau bestritten werden können.

Auf dem Konzil in Basel am 24.11.1440 wird Reinhard III. von Westerburg das Recht eingeräumt, fortan auch die frei werdenden Kanoikate im Stift mit Männern seiner Wahl zu besetzen. Im Gegenzug verpflichtet er sich, in Zukunft für die Erhaltung des Stiftes, insbesondere der desolaten Gebäude, aufzukommen.

In der Pfarrchronik des benachbarten Ortes Seck findet sich der Hinweis, dass die Kirche in der Zeit zwischen 1430 und 1440 einmal in Teilen abbrannte. Dabei wurden das nördliche Seitenschiff und ein Großteil des Daches zerstört. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird mit umfangreichen Sicherungs- und Umbaumaßnahmen am Kirchenbau begonnen.

Erst vergleichsweise spät wird die Westerburger Herrschaft evangelisch. Im sogenannten Villmarer Schiedsspruch vom 27.5.1538 werden endlich die weltlichen Rechte der Herrschaften Runkel und Westerburg im Bifang Gemünden vertraglich geregelt. Während in der Grafschaft Wied schon 1543/44 die Reformation zum Durchbruch kam, ließ sie in Westerburg noch zwanzig Jahre auf sich warten. Auch nach ihrer Einführung 1564 dauerte es noch zwei Jahre, bis Graf Reinhard auch seinem Propst in Gemünden befahl, die „Augspurgische Confession“ einzuführen, einen evangelischen Pfarrer zu verpflichten, die Kanoniker zu entlassen und somit auch gegen den Willen des Trierer Erzbischofs die Institution Stift aufzulösen.

Mit dem Tod des letzten Propstes 1622 endete das letzte Amt, das noch von der Stiftsverfassung zeugte. Trotz einer kurzzeitigen vom Trierer Erzbischof und einigen Gemündener Bürgern iniziierten Gegenreformation in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1626 – 31), waren seit 1599, die Grafen von Leiningen-Westerburg rechtlich gesehen die Nachfolger des Stiftes. Auf dem Papier lebte das Stift als „evangelischer Vermögensfonds“ Gemünden seit der Mitte des 17. Jahrhunderts wieder auf, bevor auch diese Einrichtung schließlich am Anfang des 19. Jahrhunderts aufgelöst wurde.

Quelle: Markus Wild: Die Stiftskirche St. Severus in Gemünden,1994